Praxisbeispiel 27: Bewegungswochenplan in der Nachsorge

Zur Förderung eines bewegungsaktiven Lebensstils wurde das Konzept „Sport und Bewegung im Alltag“ in einer stationären onkologischen Rehabilitationseinrichtung entwickelt. Zentraler Bestandteil ist ein so genannter Bewegungswochenplan.

Hintergrund und Ausrichtung des Konzeptes:

Die Maßnahme „Sport und Bewegung im Alltag“ zielt darauf, die körperliche Aktivität von Rehabilitanden der Onkologie nachhaltig zu fördern. Die Maßnahme unterstützt die Rehabilitanden durch Definition persönlicher Bewegungsziele dabei, ein individuelles Sport- und Bewegungsverhalten regelmäßig und dauerhaft in den Alltag zu integrieren. Erst hierüber können bewegungsbezogene Rehabilitationserfolge langfristig gesichert werden.

Die Maßnahme „Sport und Bewegung im Alltag“ stellt eine Weiterentwicklung volitionaler Interventionen aus der INOP-Studie (INOP: Individuelle Nachsorge onkologischer Patienten) dar. Diese wurden in adaptierter Form in die Routineversorgung aufgenommen, nachdem deren Wirksamkeit wissenschaftlich überprüft wurde (Kähnert et al. 2012, 2013). Die Konzeption der INOP-Intervention erfolgte in Anlehnung an die VIN-CET-Intervention von Sudeck (2006).

Zielgruppe:

Die Maßnahme richtet sich an onkologische Rehabilitanden. Ausgeschlossen sind Rehabilitanden, die aufgrund spezifischer Kontraindikationen bzw. medizinischer Gründe nicht an einem körperlichen Training teilnehmen dürfen.

Durchführung und Inhalte:

Die Maßnahme „Sport und Bewegung im Alltag“ ist integriert in die Routineversorgung einer medizinischen Rehabilitation und ergänzt das Sport- und Physiotherapieprogramm, was seinen Schwerpunkt auf die Motivation zu mehr Sport und Bewegung legt. Entsprechend werden die Rehabilitanden über die positiven Effekte von Sport informiert (Gesundheitsbildung) und lernen unterschiedliche Sport- und Bewegungsarten kennen. Während des Bewegungs-/Sporttrainings können sie kurzfristig positive (Körper-)Erfahrungen sammeln und möglicherweise schon Erfolge, wie Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit, wahrnehmen. Die Sport- / Physio- / Ergotherapeuten stehen den Rehabilitanden als direkte Ansprechpartner zur Verfügung und geben ihnen Unterstützung. Alle Rehabilitanden erhalten somit umfangreiche sport- und bewegungstherapeutische Maßnahmen, die auf die Intentionsbildung (körperlich aktiv zu werden) abzielen. Hierauf baut die Maßnahme „Sport und Bewegung im Alltag“ auf und ergänzt diese. Hierbei liegen die Schwerpunkte insbesondere auf der Vermittlung volitionaler Strategien, mit dem Ziel, aus der (Bewegungs-)Absicht ein Verhalten (körperliche Aktivität) zu generieren und dieses langfristig aufrechtzuhalten. Diese volitionalen Strategien beinhalten die Realisierung von Handlungs- und Bewältigungsplänen sowie die Stärkung von Ressourcen, wie Selbstwirksamkeit und Handlungskontrolle (in Detail siehe hierzu Fuchs et al. 2007; Gollwitzer et. al. 2006; Schwarzer et al. 2008).

 

Die Maßnahme „Sport und Bewegung im Alltag“ beinhaltet:

  • Ein Seminar, das in der zweiten Rehabilitationswoche stattfindet, einen Zeitumfang von
    60 Minuten aufweist und für eine Teilnehmerzahl von maximal zwölf Personen ausgelegt ist.
  • Arbeitsmaterialien einschließlich der Vordrucke eines Bewegungswochenplans (s. Material 27a)
  • Nachsorgegespräch: Dieses findet während des ärztlichen Abschlussgesprächs statt und thematisiert den Bewegungswochenplan (Nachsorgeempfehlungen).

Das Seminar, die Arbeitsmaterialien und das Nachsorgegespräch bilden eine aufeinander aufbauende Einheit. Werden im Seminar die Grundlagen volitionaler Strategien gelegt und in der Gruppe besprochen, dienen zudem die Arbeitsmaterialien für die individuelle Planung des Bewegungsverhaltens. Neben Informationen enthalten sie Aufgaben und Hilfestellungen zur Handlungs-/ Bewältigungsplanung und Handlungskontrolle, die die Teilnehmer schon während des Klinikaufenthalts selbständig bearbeiten sollen.

Praxisbeispiel 27a: Exemplarischer Bewegungswochenplan (in Anlehnung an Sudeck 2006)

Praxisbeispiel 27a: Exemplarischer Bewegungswochenplan

Die Inhalte der Maßnahme „Sport und Bewegung im Alltag“ sind:

Bewegungsaktiver Lebensstil („Wie soll ich nach meiner Rehabilitation aktiv weitermachen“): Die Teilnehmer erfahren verschiedene Möglichkeiten der körperlichen Aktivität und lernen die Bedeutung von Alltagsaktivitäten (Haus-/Gartenarbeit, Treppen steigen, Besorgungen zu Fuß oder mit den Rad erledigen) und gesundheitsorientierten Sportaktivitäten einschließlich den Empfehlungen hinsichtlich Häufigkeiten, Dauer und Intensität kennen.

Handlungsplanung („Mein persönlicher Bewegungswochenplan“): Die Teilnehmer lernen die
W-Fragen (Welche körperliche Aktivität führe ich wie häufig, wie lange, wie oft, wo und mit wem aus?) kennen. Sie sollen lernen, konkrete aber vor allem realistische Pläne für ihr Sport- und Bewegungsverhaltens zu erstellen. Insbesondere soll konkret geplant werden, wann mit dem Vorhaben (zuhause) begonnen werden soll.

Bewältigungsplanung („Was könnte mich von der Umsetzung meines Plans abhalten?“): Innere und äußere Handlungsbarrieren werden thematisiert und diskutiert. Darauf aufbauend werden Strategien zur Bewältigung dieser Hindernisse formuliert. Die Teilnehmer setzen sich mit ihren persönlichen Hindernisgründen auseinander und erarbeiten Strategien, die sie persönlich zur Überwindung dieser Hindernisse benötigen, so dass es nicht zu einem Abbruch des Sport- und Bewegungsverhalten kommt bzw. dieses Verhalten erst gar nicht initiiert wird. Beispiele für diese Strategien können sein: (1) soziales Einbinden (sich zum Sport zu verabreden), (2) sich die gesetzten Ziele vergegenwärtigen (Steigerung der Beweglichkeit), (3) Nachmotivieren (Gutes Gefühl nach dem Training), (4) Starthilfen schaffen (Sportsachen schon fertig gepackt bzw. dabei haben).

Wo und Wie finde ich Sportangebote am Wohnort: Die Teilnehmer lernen zentrale Anlaufstellen bzw. Kontaktmöglichkeiten für die Weiterführung ihrer Vorsätze am Wohnort kennen.

Mein persönlicher Bewegungswochenplan: Ein Bewegungswochenplan wird exemplarisch vorgestellt (s. Material 27a). Die Teilnehmer erhalten (während der Rehabilitation) die Möglichkeit, ihren individuellen Bewegungsplan zu erstellen. Hierfür erhalten sie bei Bedarf Unterstützung von den Sport- / Physio- / Ergotherapeuten. Das Ergebnis dient als Gesprächsgrundlage für das ärztliche Nachsorgegespräch. Zudem wird auf die Notwendigkeit der eigenständigen Handlungskontrolle hingewiesen: Die Umsetzung des Planes soll kontrolliert und die Erfahrungen in die Vordrucke des Bewegungsplans eingetragen werden. Durch diese Handlungskontrolle können die gesetzten Bewegungsziele überprüft oder effektivere Bewältigungsstrategien erstellt werden.

Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung:

Sport- und Physiotherapeut, Ergotherapeut, Arzt

 

Literatur:

Fuchs, R.; Göhner, W. & Seelig, H. (2007). Aufbau eines körperlich aktiven Lebensstils. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG.

Gollwitzer ,P.M. & Sheeran, P. (2006). Implementation intentions and goal achievement: A meta-analysis of effects and processes. Advances in Experimental Social Psychology; 38: 69 – 119.

Kähnert, H.; Exner, A.-K.; Leibbrand, B.; Biester, I.; Trapp, M.; Gharaei, D.; Niehues, C. (2012). Einfluss der INOP Intervention zur Handlungs- und Bewältigungsplanung auf das Bewegungsverhalten von Brustkrebspatientinnen. Profitieren alle Patientinnen gleichermaßen. DRV - Schrift Band 98: 419-420.

Kähnert, H., Exner, A.-K., Leibbrand, B., Biester, I., Gharaei, D., Niehues, C.,Trapp, M. (2013). Bewegungsförderung von Brustkrebspatientinnen: Ergebnisse der INOP-Studie sechs und zwölf Monate nach Abschluss einer stationären Rehabilitation. DRV - Schrift Band 101: 360-361.

Schwarzer, R.; Lippke, S. & Ziegelmann, P. (2008). Health action process approach. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 16 (3): 157-160.

Sudeck, G. (2006). Motivation und Volition in der Sport- und Bewegungstherapie – Konzeptualisierung und Evaluierung eines Interventionskonzepts zur Förderung sportlicher Aktivitäten im Alltag . Hamburg: Czwalina; 2006.

Quelle:
Dr. Birgit Leibbrand, Salzetalklinik, Alte Vlothoer Straße 1, 32105 Bad Salzuflen birgit.leibbrand@drv-westfalen.de
Dr. Heike Kähnert, Anne-Kathrin Exner, Institut für Rehabilitationsforschung, Norderney, Abt. Bad Salzuflen, Alte Vlothoer Straße 1, 32105 Bad Salzuflen kaehnert.salzetalklinik@t-online.de