Praxisbeispiel 32: Zielarbeit in der ambulanten Rehabilitation

Dieses Praxisbeispiel stellt die besonderen Bedingungen und Möglichkeiten der Reha-Zielarbeit in ganztägig ambulanten Einrichtungen dar, hier im Bereich der Orthopädie.

Hintergrund und Ausrichtung des Konzeptes

In ambulanten Rehabilitationseinrichtungen liegen einige grundsätzliche Besonderheiten gegenüber den stationären Einrichtungen vor. Vor diesem Hintergrund haben wir ein eigenes Rehabilitationskonzept unter Berücksichtigung der BAR-Rahmenempfehlungen entwickelt und setzten dies in der Praxis um.

Als Besonderheit der ambulanten Rehabilitationseinrichtungen ist zu beachten, dass sie in der Regel kleinere Einheiten von Patienten betreuen. Dies schränkt die Möglichkeit von Patientenschulungen ein, da die entsprechenden Gruppen nur aus einem deutlich kleineren Pool von Patienten gefüllt werden können bzw. Gruppen erst gar nicht zustande kommen. Als Vorteil der kleinen Einrichtungen sind jedoch die schnelleren Kommunikationswege zwischen den Berufsgruppen  und der intensive Kontakt auch in Hinblick auf den einzelnen Patienten zu nennen. Hieraus ergeben sich in der Folge einige Besonderheiten, die wir im Konzept besonders berücksichtigt haben.

In unserer Einrichtung befindet sich ein großer Anteil an Rehabilitanden, die eine AHB/AR durchführen (ca. zwei Drittel) was sich auch in den Rehabilitationszielen niederschlägt. Als weitere Besonderheit für unsere Einrichtung existiert eine enge strukturelle und auch personelle Verknüpfung mit der BGSW-Station (Berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung) des Stiftungsklinikum Mittelrhein.

Ein weiterer Vorteil der ambulanten Rehabilitation betrifft die Nähe der Einrichtung zum sozialen Umfeld des Patienten und damit möglicher leichterer Kontaktaufnahme zum Arbeitgeber / Betriebsarzt, ggf. auch zu Angehörigen. Das mögliche Erproben, beispielsweise von Situationen im häuslichen Bereich (enge Treppe o. ä.), ist in der ambulanten Rehabilitation besser als in der stationären möglich.

Die Rehabilitationszielvereinbarung beginnt bereits mit dem Anamnesebogen, der den Patienten vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme zugesandt wird. Der Ausschnitt, der die Rehabilitationsziele betrifft ist in Praxisbeispiel 32a dargestellt. Diese werden direkt im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung und dem Aufnahmegespräch des Sozialdienstes mit dem Rehabilitanden besprochen.

Material 32a: Zielabfrage im Anamnesebogen

Praxisbeispiel 32a: Zielabfrage im Anamnesebogen

 

Zielgruppe:

Das Konzept der Besprechung der Rehabilitationsziele wird auf sämtliche Rehabilitanden angewandt. Die Rehabilitationsziele der Patienten werden zeitnah innerhalb des multiprofessionellen Teams bekanntgegeben und ggfls. besprochen, wobei speziell auf Patienten mit besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) eingegangen wird. Hier erhalten wir durchgehend gute Rückmeldungen der Patienten, im Rahmen der Evaluierung, unter Berücksichtigung der jeweils bestehenden Ziele.

Durchführung und Inhalte:

Der Patient erhält o.g. Fragebogen bereits vor Antritt der Rehabilitation zugesandt. Dieser Aufnahmebogen liegt dem Arzt und dem Physiotherapeuten während der Aufnahmeuntersuchung bereits vor. Die Aufnahmeuntersuchung erfolgt in unserer Einrichtung grundsätzlich gemeinsam durch Arzt und Physiotherapeuten. Dies ist eine Besonderheit, die den Vorteil birgt, dass hier die Ziele der Rehabilitation und die erforderlichen Therapiemaßnahmen hierfür bereits mit dem Patienten, Physiotherapeuten und dem Arzt entsprechend abgestimmt werden.

Etwaige Diskrepanzen zwischen den Rehabilitationszielen des Patienten und den medizinischen Rehabilitationszielen können in diesem Zusammenhang gleich angesprochen werden. So könnte beispielsweise das Rehabilitationsziel „gehen ohne Stützen“ vom Patienten gewünscht, aufgrund des medizinischen Befundes jedoch noch nicht sinnvoll sein. Solche Zieldiskrepanzen können bereits im Aufnahmegespräch angesprochen werden. Ferner kann dort auch ein Rentenwunsch des Patienten thematisiert werden. In der Praxis stellt sich dies sonst häufig erst im Verlauf der Rehabilitationsmaßnahme heraus und ist für den Therapieverlauf störend.

Als weitere Berufsgruppe führt am Aufnahmetag der Sozialdienst ein Erstgespräch mit der Zielsetzung, zeitnah Informationen zu erhalten über mögliche Problemstellungen im häuslichen, sozialen oder beruflichen Umfeld. Hier wird der Focus dann weiter auf den Kontext zu sozialmedizinischen Fragestellungen gelegt, um herausarbeiten zu können, ob es Faktoren gibt, die das Erreichen der Ziele in der Rehabilitation erschweren. Die berufliche Situation wird im Rahmen einer ausführlichen Arbeits- und Berufsanamneseerhebung herausgearbeitet. Hier ergibt sich bereits sehr schnell ein Eindruck,  ob es sich um Versicherte in besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) handelt, woraus diese Problemlage besteht und was möglich ist, den Patienten zu unterstützen. Die sozialen und beruflichen Rehabilitationsziele werden dann nochmals vom Sozialdienst mit dem Patienten erhoben und in die Patientendokumentation eingepflegt, auf die jede Berufsgruppe regelmäßig Zugriff nimmt.

Diese Ziele werden in einer wöchentlichen Besprechung zwischen Arzt und Sozialarbeiterin für jeden Patienten angesprochen. Bei Patienten, bei denen sich abzeichnet, dass die Rehabilitationsziele im Sinne der gesellschaftlichen oder beruflichen Teilhabe nicht ausreichend zu erreichen sind, erfolgen weitere Gespräche mit dem Sozialdienst. Sofern sich hier ein Handlungsbedarf ergibt (beispielsweise bei einer Diskrepanz des objektiv erreichbaren gesundheitlichen Outcomes und der Arbeitsplatzsituation) wird umgehend mit dem für uns zuständigen Reha-Berater der DRV Kontakt aufgenommen, sofern der Versicherte hierzu sein Einverständnis gegeben hat. Gegebenenfalls kommt auch der Reha-Berater der DRV in die Einrichtung, um mit dem Versicherten weitere Möglichkeiten zu erörtern.

Bei bestehenden besonderen beruflichen Problemlagen mit realistischer Möglichkeit, wieder in den Beruf zurückzukehren, kann hier auch eine arbeitsplatzspezifische Trainingstherapie an den EFL-Geräten durchgeführt werden. Die Entscheidung hierüber fällt im Teamgespräch, das einmal wöchentlich stattfindet, ggf. unter Hinzuziehung des Rehabilitanden.

Im Rahmen der regelmäßigen ärztlichen Visiten, sozialdienstlichen Kontakten mit dem Patienten, der Physiotherapie und auch der Sport- und Ergotherapie werden regelmäßig mit dem Patienten die Rehabilitationsziele erfasst und der gegenwärtige Stand der Therapie besprochen. Hierbei orientieren wir uns am Rehab-CYCLE wie er allgemein gängig ist mit Assessment, Assignment, Intervention und Evaluation beschrieben ist.  Als Besonderheit in unserer Einrichtung erscheint, dass die Rehabilitationsziele und der jeweils aktuelle Stand im Behandlungsverlauf durch verschiedene Berufsgruppen mit dem Patienten partnerschaftlich besprochen werden, so dass hier die teilweise angstbeladene Situation des Arztkontaktes für den Patienten in den Hintergrund tritt. Aufgrund des kleinen Teams einer kleineren Einrichtung ist es möglich, in der wöchentlichen Teambesprechung über jeden Patienten den Rehab-CYCLE durchzuführen und sich über den aktuellen Stand des Patienten auszutauschen, so dass hier die jeweiligen Therapien den Therapiezielen individuell und zeitnah angepasst werden können.

Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung:

Im Wesentlichen sind folgende Berufsgruppen für die Rehabilitationszielerfassung und regelmäßige Kommunikation untereinander sowie mit dem Patienten verantwortlich:

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Eine Evaluation bezüglich der Arbeitszeit, die dies benötigt ist nicht erfolgt, da sich dies unseres Erachtens aus dem Auftrag einer ganzheitlichen Rehabilitation ergibt und sich ferner diese Situation von Patient zu Patient sehr unterschiedlich darstellt. Bei Versicherten, die ein arbeitsspezifisches Training benötigen, ist ein wesentlich höherer Zeitaufwand nötig als bei Patienten, deren Therapieziele leicht zu erreichen sind und bei denen sich keine beruflichen oder sozialen Problemlagen zeigen.

Bei der Notwendigkeit von arbeitsspezifischem Training ist in unserer Einrichtung eine EFL-Einheit gegeben, so dass hier entsprechender Mehraufwand entsteht. Ansonsten geschieht die Umsetzung in der Regel im Rahmen der normalen Visitationen und Besprechungen. Lediglich der Auftrag für den Sozialdienst, ggf. den Kontakt zum Reha-Berater der DRV herzustellen, ist ein zusätzlicher Aufwand.

Das Zielarbeitskonzept bietet den Mitarbeitern einen Leitfaden für die Rehabilitation, so dass im Rahmen des Rehab-CYCLEs, der Ist- und Soll-Zustand verglichen und die Therapiemaßnahmen angepasst werden können. Darüber hinaus ist es möglich, Patienten zu identifizieren, deren Rehabilitationsziel nicht die Verbesserung der körperlichen Situation ist, sondern beispielsweise das Erreichen einer Rentenzahlung. Für die Mitarbeiter ist die Information, welches tatsächliche Ziel der Patient hat von Bedeutung, um im Vergleich der therapeutischen Intervention zu der vom Patienten zugelassenen bzw. beschriebenen Wirkung, eine bessere Einschätzung zu erhalten.

Wir befinden uns gegenwärtig noch in der Evaluation dieser Ergebnisse, so dass wir noch keine abschließende Aussage über den Erfolg des Konzeptes treffen können. Unsere Erfahrungen sind seit der Einführung der Rehabilitationszielvereinbarungen und dem entsprechend beschriebenen Vorgehen vor vier Jahren durchweg positiv.

Literatur:

  1. http://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/publikationen/empfehlun...
  2. Beispielsweise publiziert als Leitthema: „Anwendung der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) in der Traumatologie“, in „Der Unfallchirurg“, Springer Verlag 2010 113:441 bis 447 von Schwarzkopf et al..

Quelle:

Th. Krause, Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin, Rehafit am Stiftungsklinikum, Kurfürstenstr. 70-72, 56068 Koblenz, E-Mail: Thorsten.Krause@stiftungsklinikum.de